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Der ungebetene Gast: Stress und seine facettenreichen Folgen

Beitrag von

Sandra Weiß – Systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin, Online-Beraterin, Coachin & Supervisorin

„Ich bin im Stress, ich habe keine Zeit.“ Dieser Satz mag vielen bekannt vorkommen: Verschiedene aktuelle Studien zeigen auf, dass sich bis zu zwei Drittel der befragten Personen angespannt und gestresst fühlen (DKV-Report, TK-Stressstudie, Statista).

In meinem beruflichen Kontext begegne ich diesem Phänomen häufig: Unsere Gesellschaft folgt in vielen Bereichen dem Motto des Erzielens von immer neuen Superlativen, von einem „schneller, besser, weiter“, wobei der Anspruch an den Einzelnen ist, eine hohe Leistungsbereitschaft in allen Lebensbereichen zu zeigen – mit der klaren Erwartung des kontinuierlichen Wachstums in all den damit verbundenen Facetten. Dies kann neben dem anfänglichen Beweisen seines Erfolgs und seiner Leistungsfähigkeit nach einer gewissen Zeit Druck sowie emotionale oder körperliche Erschöpfungssymptome hervorrufen – auch deshalb, weil das Erreichen der Leistungsgrenzen noch immer ein vielverbreitetes Tabu darstellt und daher wenig Beachtung findet. In meiner Arbeit begegnen mir sehr erfolgreiche Menschen in beruflich verantwortungsvollen Positionen, die dabei Überlastungssymptome wie Schlafstörungen oder Ängsten entwickelt haben.

Eine weitere Herausforderung erlebe ich bei Paaren, die sich in der „Rushhour des Lebens“ befinden und neben dem Erklimmen der Karriereleiter die optimale Kindererziehung und ein harmonisches Familienleben vereinen wollen. Dieses Ideal mit Leichtigkeit zu erreichen ist oft ein hoher, scheinbar unerreichbarer Anspruch, der zunächst nur im Stillen hinterfragt wird.

 

Doch was ist unter Stress zu verstehen?

Vereinfacht gesagt, ist Stress eine Reaktion des Körpers auf eine Situation, in der ein Mensch eine erhöhte körperliche oder seelische Anspannung verspürt und noch nicht die passenden Ressourcen zur Bewältigung dieser Situation zur Verfügung hat. Hält diese Situation lange an, können negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensqualität entstehen. Stress hält auf verschiedene Weisen Einzug in unser Leben, bspw. durch berufliche Herausforderungen, Konflikte in nahestehenden Beziehungen, durch Krisen und Schicksalsschläge, durch Verpflichtungen oder hohe Anforderungen an sich selbst.

In diesem Blogartikel werden wir uns mit der körperlichen Reaktion von Stress befassen, auf die Auswirkungen auf Körper, Geist und Emotionen blicken und einige bewährte Strategien zur Stressbewältigung vorstellen.

 

Stress – eine Körperreaktion auf physische oder emotionale Bedrohungssituationen

Wenn wir Stress erleben, kommt in unserem Körper das „Kampf-oder-Flucht-System“ in Gang. Es erfolgt die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol, was u.a. zu einer erhöhten Herzfrequenz, gesteigertem Blutdruck und erhöhter Muskelspannung führen kann. Diese Stressreaktion stammt aus frühen evolutionären Zeiten und diente dem physischen Überleben des Menschen. Heutzutage sind diese Gefahren eher emotionaler oder psychosozialer Art, bspw. wenn es um die Angst, zu versagen oder um die Trennung von nahestehenden Menschen geht. Die Stressreaktion verläuft noch immer nach dem biologischen Muster zu Beginn der Evolution.

Um die Kampf- und Fluchtreaktion zu aktivieren, nutzt die Hirnregion Amygdala zwei Wege: Es werden sowohl das sympathische Nervensystem als auch der Hypothalamus darüber informiert, dass Gefahr im Verzug ist, woraufhin verschiedene Hormone und Botenstoffe ausgeschüttet werden. Mit diesem Grad an Aktivierung kann sich der Mensch den wahrgenommenen Gefahren stellen und damit ist Stress eine körpereigene Reaktion.

 

Häufige Stressoren – oder: Wodurch entsteht Stress?

Stress kann in verschiedenen Lebensbereichen entstehen, sei es in der Arbeit, in der Familie oder auch in der Freizeit. Ausgelöst wird er durch Stressoren, also innere oder äußere Reize, die eine Stressreaktion hervorrufen und die in Anlehnung an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in verschiedene Kategorien einzuordnen sind:

  • Physikalische Stressoren: Lärm, Hitze, Kälte, Nässe, Reizüberflutung.
  • Körperliche Stressoren: Hunger, Durst, Schlafentzug, Verletzungen, Schmerz.
  • Stressoren hinsichtlich der Leistung: Zeitdruck, Überforderung und Unterforderung, Konkurrenz, Termin- und Leistungsdruck, Druck von verschiedenen Seiten in Leitungspositionen, viel Verantwortung, z.T. kombiniert mit wenig Mitbestimmungsmöglichkeiten.
  • Soziale Stressoren: Beziehungsschwierigkeiten, Streit und Ärger in der Familie, soziale Isolierung.
  • Chronische Spannungen und Belastungen: Dauerhafte Alltagsprobleme wie Zeitengpässe, Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, Rollenkonflikte in Beruf und Familie, andauernde Krankheiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Mental Load.
  • Lebensverändernde kritische Ereignisse: Verlust von Bezugspersonen, von wichtigen Rollen oder dem Verlust des Arbeitsplatzes, plötzliche Einschränkung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit, starke Bedrohung der eigenen Sicherheit durch Naturkatastrophen, Verbrechen, Kriege.
  • Kritische Übergänge im Lebenslauf: Junges Erwachsenalter, Berufseinstieg, Familiengründung, Empty-Nest-Syndrom, Berentung.
  • Traumatische Stressoren: Vernachlässigung in der Kindheit, äußere Bedrohungen, Belastungen, innere negative Gefühlszustände, Schmerzen, Schicksalsschläge, Lebensveränderungen.

 

Die vielfältigen Auswirkungen von chronischem Stress

All diese Stressoren haben das Potential auf Chronifizierung, wenn sie uns über einen längeren Zeitraum begleiten. Dieser langanhaltende Stress kann negative Folgen für unsere körperliche und psychische Gesundheit und Auswirkungen auf der körperlichen, der geistigen und emotionalen Ebene haben:

 

Körperliche Auswirkungen

  1. Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Ein erhöhter Blutdruck und ein gesteigertes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle können Folgen chronischen Stresses sein.
  2. Immunsystem: Das Immunsystem kann über langanhaltenden Stress geschwächt werden, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen führen kann.
  3. Verdauungsprobleme: Stress kann Magenschmerzen, Sodbrennen und das Reizdarmsyndrom begünstigen.
  4. Schlafstörungen: Stress kann Schlafprobleme hervorrufen, was sich wiederum nachteilig auf den Gesundheitszustand, die Leistungsfähigkeit und das seelische Wohlbefinden auswirken kann.
  5. Gewichtszunahme oder -verlust: Chronischer Stress kann gesteigerten Appetit oder auch den Verlust von Appetit herbeiführen.
  6. Verspannungen: Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen sowie Muskelkrämpfe können entstehen.

 

Geistige und emotionale Auswirkungen

  1. Angst und Depression: Chronischer Stress kann das Risiko für Angst- und Panikzustände und die Ausbildung einer Depression erhöhen.
  2. Konzentrationsprobleme: Ein hohes Stressniveau kann die Konzentrationsfähigkeit vermindern sowie Denkblockaden und Gedankenkarusselle entstehen lassen. Häufig erhöht sich die Neigung zu Unfällen.
  3. Reizbarkeit und Wut: Erhöhte Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen und aggressives Verhalten können Folgen der Stressbelastung sein.
  4. Erschöpfung und Burnout: Folge von Stress können eine Reduktion der Leistungsfähigkeit und des Lustempfindens sein, ebenso kann Antriebslosigkeit und Rastlosigkeit entstehen.
  5. Negativer Selbstwert: Stress kann das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und negative Gedanken über sich selbst verstärken.
  6. Selbstentfremdung: Langanhaltender Stress kann das Gefühl entstehen lassen, sich selbst zu verlieren und in einem Modus des Funktionierens gefangen zu sein.

 

Bewältigungsstrategien

Wirksame Strategien, dem Stress entgegenzuwirken, können die folgenden sein:

  1. Praktizieren von Stressbewältigungstechniken: Die Anwendung von Entspannungstechniken oder körperlicher Bewegung können den Stressabbau unterstützen.
  2. Zeitmanagement: Eine effektive Zeitplanung kann helfen, den Stress durch eine klare Struktur zu reduzieren.
  3. Gesunde Lebensweise: Regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf können dem Stress entgegenwirken.
  4. Soziale Kontakte: Der Austausch mit Familie, Freunden und Kollegen kann eine wichtige Ressource darstellen und Unterstützungssysteme aktivieren.
  5. Grenzen setzen: Lernen Sie Ihre persönlichen Grenzen kennen und kommunizieren Sie Ihre Erwartungen und Bedürfnisse klar und deutlich, um Überforderungssituationen zu vermeiden.
  6. Professionelle Unterstützung: Coaching oder Therapie kann helfen, die individuellen Stressfallen zu verstehen, alte mehr oder weniger bewusste und noch aktive leistungsorientierte Glaubenssätze zu erkennen (z.B.: „Ich muss immer funktionieren“) und neue, gesunde und nachhaltige Verhaltensweisen zu entwickeln.

Stress kann auf vielfältige Weisen unser Leben beeinflussen. Das Wissen um Stressoren, die Körperreaktion sowie Bewältigungsstrategien ist wichtig, um die negativen Auswirkungen des Stresses zu erkennen, sie zu beeinflussen und einen gesunden Lebensstil zu entwickeln.

Wenn andauernder Stress jedoch die Gesundheit, die Lebensqualität und die sozialen Beziehungen stark beeinträchtigt, kann professionelle Unterstützung in Form von Therapie oder Coaching eine wertvolle und zielgerichtete Unterstützung sein, um das Leben wieder in gesunde und zufriedene Bahnen zu lenken.

Das Gefangensein in einer Stresssituation ist meiner Sichtweise zufolge als ein Signal des Körpers und des Geistes zu verstehen, gesunde Grenzen zu entwickeln oder wiederherzustellen. Die Situation kann als Einladung verstanden werden, sich in die Auseinandersetzung mit sich und dem eigenen Leben zu begeben, Gewohnheiten zu hinterfragen und damit ein gesünderes und selbstbestimmteres Leben zu entwickeln – sowohl im beruflichen als auch privaten Bereich, für sich als Individuum und in der Gemeinschaft mit anderen Individuen.

Es ist eine Einladung, wieder zu leben anstatt nur zu funktionieren.

Kommen Sie gerne auf mich zu, um mehr über die Chancen einer Zusammenarbeit zu erfahren.

Sandra Weiß Beratung & Coaching

Durch die Auseinandersetzung mit sich selbst und dem besseren Verstehen der eigenen Persönlichkeit, der individuellen Verhaltensweisen und Beziehungen mit anderen Menschen können Perspektiven und Ideen entstehen, die ganz neue Lösungsmöglichkeiten ermöglichen.